Nicht nur juristische Tipps für Onlinedater

Da die Wiener Juristin, Mag. Katharina Braun, mir für unser aktuelles Buch „Single sucht Single“ viele wichtige Inputs geliefert hat, habe ich mit ihr ein Interview geführt, das über rechtlich Relevantes beim Onlinedating hinausgeht. Herausgekommen ist ein erfrischender Dialog über Pyjamakommunikation, negative Selektion und den Kapitalismus der Liebe.

Wie kommt es, dass Sie sich beruflich mit Partnerbörsen beschäftigen?

Ich bin Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Familienrecht. Viele meiner Mandanten sehnen sich nach einem neuen Partner. Die meisten haben jedoch kleine Kinder oder  einen sehr zeitintensiven Job. Sie sind daher in ihren Kennenlernmöglichkeiten beschränkt. Das Internet eröffnet da neue Möglichkeiten des Kennenlernens. So kann man, wenn man von der Arbeit nachhause kommt, entspannt im Pyjama am PC kommunizieren. Ich sag hier gleich bewusst nicht „suchen“, denn das Ganze sollte meines Erachtens spielerisch angegangen werden. Im Internet wird oft die negative Selektion zum Verhängnis. Viele gehen mit einem zu engen Raster an das Thema „neuer Partner“ heran.

Wie meinen Sie das mit negativer Selektion? 

Im Internet gibt es eine scheinbar unendliche Anzahl an Partnermöglichkeiten, da möchte man sich natürlich nicht „verschenken“, sich nicht unter seinen Preis verkaufen. Eva Illouz,  Soziologin und Autorin des Buches „Warum Liebe weh tut“ bezeichnet dies als Kapitalismus der Liebe. Denn gerade bei der Onlinepartnersuche fragt sich jeder, ob er auch wirklich das bestmögliche Angebot vom Markt für sich erhalten hat. Es kommt zu einer „negativen Selektion“. Daher wird so lange verworfen, bis der „Richtige“ über bleibt. Gerade Menschen, die sich selbst einen sehr hohen Marktwert zuschreiben, laufen so Gefahr, dass sie letztlich alleine bleiben. Dies weil sie dachten, dass eben noch wer besserer kommt und so keinem eine echte Chance geben.

Es ist auch nicht auszuschließen, dass man online jemanden „verwirft“, der aber tatsächlich super zu einem passt. So bin ich mit einem sehr lieben Ehepaar befreundet, die sich gegenseitig online aufgrund eines Fotos ausselektierte. Später lernten Sie sich zufällig auf einer Party kennen und verliebten sich ineinander. Erst später beim Kündigen ihrer Partnerbörsenabos kam hervor, dass sie online bereits im Kontakt waren.

Wie kommt man aus diesem Denkmuster der negativen Selektion  Ihrer Meinung nach heraus?

Eben die Dinge mehr auf sich zukommen lassen. Sich seines eigenen Beuteschemas bewusst werden, schauen (hier kann allenfalls auch ein Coaching gute Dienste leisten) woran die bisherigen Beziehungen gescheitert sind. Sich seines eigenen Anteils  an den Gründen, die zur Beendigung der bisherigen Beziehungen führten, klar werden. Das Internet als Chance betrachten, abseits des bisherigen Beutemusters Menschen kennenzulernen. War man zum Beispiel bis dato immer eher mit toughen Karrieremänner beisammen, so könnte man mal auf ein Date mit einem kreativen Freigeist gehen. Wenn es eben auch vielleicht nicht der Mann fürs Leben wird, so erweitert man doch zumindest seinen Horizont, erfährt neues über sich selbst. Gerade für Menschen, die in einer langen Beziehung waren, ist es ja meist sehr schwierig wieder zu daten. Da kann es hilfreich sein, sich mit Menschen zu treffen, die man zwar im Kontakt sympathisch fand, wo man aber denkt, dass möglicherweise eben nicht mehr draus wird. Doch man sei gewarnt, die Liebe schlägt oft gerade dann ein, wenn man nicht damit rechnet. Ich kenne Menschen, denen hätte der Matchingalgorithmus keine Chancen miteinander gegeben, doch irgendetwas im Profil zog sie einander an, und beim Treffen hat es dann gewaltig „boom“ gemacht, und sie sind glücklich zusammen/verheiratet.

Was machen Ihre Mandanten für Erfahrungen im Internet?

Grundsätzlich ist es natürlich äußerst heikel, wenn man sich schon in der Scheidungsphase auf (Online) Partnersuche begibt. Solange man eben nicht geschieden ist, läuft man Gefahr, dass einem dies bei der Scheidung als Verschulden ausgelegt ist. Es suchen online letztlich ja auch alle wieder in einem ähnlichen Topf. So gibt es Partnerbörsen für Väter/Mütter, Akademiker etc. Gesucht wird in einer bestimmten örtlichen Entfernung, in einer bestimmten Altersgruppe. Da ist die Gefahr natürlich sehr wohl real, dass auf der anderen Seite ein Bekannter ist, der auch den Noch-Ehepartner kennt. So kam es öfters vor, dass der Flirtpartner die Freundin der Ehefrau war, welche den Mann animierte, im Chat Details über die Ehe auszupacken. Diese Infos wurden dann von der Ehefrau gegen den Mann im Scheidungsverfahren verwendet. Furchtbar. Aber auch das Einlassen auf einen „in Trennung“ lebenden oder frisch geschiedenen Menschen ist schwierig und endet oft unglücklich. Denn die frisch Geschiedenen suchen oft (ihnen gar nicht bewusst ) nur ein Trostpflaster, wollen ihr Ego mit Flirtereien aufpolieren. Da wird oft viel Aufbauarbeit, Psychoarbeit betrieben, doch meist ist es dann so, dass der in Trennung Lebende es sich entweder doch anders überlegt und verheiratet bleibt oder sich jemandem ganz Anderem zuwendet. Da bleiben dann Verliebte im Schützengraben liegen und fühlen sich emotional betrogen.

Im Übrigen: Der (Papier-)Ausdruck von Partnerbörsenchats ist als Beweis in einem Gerichtsverfahren zugelassen.

Die Matchingalgorithmen sollte man schon deshalb nicht so erst nehmen, da Allgemeinaussagen wie „Humor ist mir wichtig“ nicht dazu geeignet sind, vorher sagen zu können, ob ein anderer Mensch, der dies auch angibt, tatsächlich zu einem passt. Denn so gibt es eben ganz verschiedene Arten von Humor. Auch kann jede Eigenschaft je nach Zusammenhang einmal gut, einmal weniger gut sein. So ist Genauigkeit bei einer Hausbauplanung sehr wichtig, für einen kreativen Prozess kann diese Eigenschaft jedoch hinderlich sein. Diese mangelnde Aussagekraft von Eigenschaften beschreibt auch u.a. auch die Mathematikerin Hannah Fry in ihrem Buch „Mathematics of love“  (gibt es auch als TED-Vortrag/auf YouTube). Harry Reis, Beziehungs- und Intimitätsforscher an der Universität von Rochester,  bezeichnet den Matchingalgorithmus als „Monkey Business“ (Unfug).

Diejenigen die mit dem Internet meines Erachtens gute Erfahrung gemacht haben, sind die die möglichst offen und freudvoll an das Thema Kennenlernen (auch hier wieder bewusst nicht Partnersuche) herangingen. So kenne ich Frauen, die in ihr Profil schrieben „Wer hat Lust mit mir einen Tangokurs zu besuchen“. Entscheidend ist letztlich, dass zwei  sich riechen können, sich anziehend finden. Beim Onlinedating ist ja nur die erste Kontaktaufnahme anders, alles andere ist ganz normale Beziehungs(aufbau)arbeit. Beim ersten Date geht es von der Datenwolke hinaus ins echte Leben, und da sind alle unsere Sinne gefragt.

Was würden Sie einem Menschen raten, der sich in eine Onlinepartnerbörse einschreibt?

Das Ganze als eine tolle Möglichkeit betrachten, Menschen kennenzulernen. Sich überlegen, was man in der Freizeit gerne macht, oder gerne machen würde, und schauen ob es Menschen gibt, die diese Interessen teilen. Denn wenn man dann auch vielleicht nicht online seinen Lebenspartner trifft, so ist doch die Wahrscheinlichkeit groß, dass wenn, so man Spaß und Entspanntheit ausstrahlt, ganz unerwartet  auf einen Menschen trifft, bei dem es funkt.

Wichtig: Nicht von sich zu viel Persönliches preisgeben, sich möglichst schnell an einem neutralen Ort treffen.

Noch eine Anregung: Vielleicht wäre ein Date in einem Hochseilgarten zielführend. Die US-amerikanischen Psychologen Donald Dutton und Art Aron fanden in ihrem „Brückenexperiment“ schon 1974 heraus, dass dort wo Adrenalin ausgestoßen wird, leichter ein Verliebtheitsgefühl entsteht.

In diesem Sinn viel Freude am Daten.

Und – dieser Rat stammt jetzt wieder von mir – wenns Probleme in der Beziehung gibt, die auf ein nahendes Ende hindeuten: Reden Sie mit Katharina Braun bevor es zu spät ist. Alles Rechtliche, das im Vorfeld geklärt ist, kann Ihnen beim Finale furioso nicht um die Ohren fliegen.

Mag. Katharina Braun: http://www.rechtsanwaeltin-braun.at/

Das Brückenexperiment: https://youtu.be/P0aMEkGlcQE

Mathematics of Love: https://youtu.be/N37x4GgDVBM

Foto Katharina Braun: Mani Hausler

 

 

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